Es geht um die Schüler
In diesem Buch geht es um den Alltag Schule aus
Sicht der Schüler und deren Eltern – nicht um Annehmlichkeiten
von Lehrern, Gewerkschaftern, Politikern
oder anderen, die wissen (s)wollen, was das Schulsystem
braucht.
Alle reden mit, aber die wirklich Betroffenen werden
dazu nicht gefragt oder in die Diskussion involviert.
Studien, weltweite Vergleiche und wissenschaftliche
Erkenntnisse werden dazu missbraucht, um die Bildungspolitik,
die zum Großteil noch von Maria Theresia
stammt, zu reformieren.
Alles in diesem Buch beruht auf selbst Erlebtem und
Gesprächen mit anderen Eltern. Thematisiert werden
Erfahrungen, die immer wiederkehrend sind – also keine
Ausnahmen.
Jegliche mögliche Ähnlichkeit mit woanders Geschriebenem
wäre reiner Zufall und nicht beabsichtigt.
Dies ist keine Fachanalyse oder Studie, keine künstliche
Krisengeschichte oder Bildungskritik auf fachlicher Ebene,
sondern Gedanken, die man sich als engagierter Elternteil
so macht, ohne dass man alle in einen Topf werfen will.
Mit vier Kindern und den daraus reichlich gesammelten
Erfahrungen der letzten 15 Jahre will ich das Thema
Schule von der Seite eines Vaters darstellen, wie ich
es selbst noch nirgends gelesen habe. Aus der Beobachtung
meiner Frau bei der täglichen Arbeit für die
Schule mit unseren Kindern stelle ich hier den täglichen
Wahnsinn Schule in die Auslage, wie ihn so viele
Eltern tagtäglich erleben.
Die einzelnen Kapitel sollen in einfacher Form zeigen,
wie es das aktuelle Schulsystem den heranwachsenden
Kindern und deren Eltern schwer macht, Freude
an der Ausbildung und am Lernen zu haben. Diese
Art Tagebuch spiegelt einen durchschnittlichen Ablauf
wider, den ein Schüler und seine Eltern durchleben.
Die fallweisen Lösungsvorschläge beruhen auf keiner
wissenschaftlichen Analyse, sondern auf reinem Menschenverstand.
Dass man jedes Thema von verschiedenen
Seiten sehen kann, ist gut und richtig. Auch werde
ich Fachausdrücke in verständlicher Sprache, die jeder
versteht, wiedergeben.
Ein durchschnittlicher Schultag
...
Um 7.45 Uhr läutet es zur ersten
Stunde und man schafft es noch vor dem Lehrer, in der
Klasse zu sein. Heute ist neben fünf verschiedenen Fächern
auch noch eine Turnstunde angesagt.
Die kurzen Pausen reichen oft gerade zum Wegräumen
der einen und Rausholen der anderen Sachen.
Nur in der großen Pause ist es möglich, seine mitgebrachte
Jause zu probieren, aufessen ist oft nicht möglich.
Das wird dann spätestens beim Heimfahren erledigt.
Nach durchschnittlich sechs Unterrichtsstunden
endet der erste Teil des Schultages und man macht sich
um ca. 14.00 Uhr auf den Heimweg.
Wenn man dann zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr
zuhause angekommen ist, wird erst einmal ordentlich
etwas gegessen. Aber man hat nicht viel Zeit, denn
heute sind drei verschiedene Aufgaben zu erledigen
und morgen ist ein Test angesagt. Während man isst,
fragt Mama schon den Tag ab und es wird eine Liste gemacht,
was alles zu tun ist.
Nach nicht einmal einer Stunde Pause geht es dann
so gegen 16.00 Uhr wieder an die Schulsachen. Selten,
dass man alles so vermittelt bekommen hat, dass man
es verstanden hat und flott die Aufgaben erledigen
kann. Nun ist Mamas Rat wieder gefragt, ...
...
Täglich die gleiche Frage: „Ist es nicht Aufgabe
der Lehrer, den Kindern den Stoff so zu vermitteln,
dass er auch verstanden wird?“ Aufgabe der Eltern sollte
sein, die Kinder abzuprüfen oder ein wenig zu unterstützen
– nicht jedoch, sich Tag für Tag in den meisten
Fächern einzulesen, um dem Kind das zu erklären, was
es eigentlich in der Schule lernen sollte ...
...
Nach der Abendtoilette wird noch die
Schultasche gepackt und so gegen ca. 23.30 Uhr ist
dann endlich alles fertig. Hat heute leider wieder etwas
länger gedauert, da man erst für die Aufgabe alles erarbeiten
musste. Man fällt ins Bett und schläft völlig erschöpft
sofort ein.
Es läuft Gott sei Dank nicht jeden Tag so, aber es
kommt leider oft vor. Normalerweise schafft man es,
so gegen 21.30 fertig zu sein und kann dann doch noch
ein bisschen etwas Nicht-Schulisches machen.
Wenn man diesen Schultag beleuchtet, fällt einem
Folgendes auf:
6 Unterrichtsstunden in der Schule
1 Stunde Transfer hin und zurück
2 Stunden, oft auch länger, Aufgaben machen
2 bis 4 Stunden lernen
Freizeit? Fehlanzeige!
Realistisch hat man so von Montag bis Freitag ca. 50
Stunden mit der Schule zu tun. Das reicht aber in der
Praxis nicht aus, ...
Nachhilfe durch Eltern, Lehrer oder Lerninstitute
…
Zwei Drittel der Schüler brauchen regelmäßig Nachhilfe.
Die Nachhilfeindustrie ist in den letzten Jahren
auf den Geschmack gekommen und boomt ganz gewaltig.
Schlaue Pädagogen haben erkannt, dass man durch
die Unfähigkeit oder Unlust der Lehrer im Klassen-
unterricht gutes Geld machen kann. Aber nicht nur das!
Nein, denn viele Lehrer, welche es am Vormittag nicht
schaffen, den Kindern den Stoff ordentlich beizubringen,
finden Sie dann am Nachmittag und abends beim
Privatunterricht. ...
...
Die gerechte Note
Es ist Ende Mai und die Tage werden schon sehr
sommerlich. In der Schule gibt es fast täglich eine
Schularbeit, einen Test oder eine Prüfung. Die Tochter
kommt schlecht gelaunt heim und stellt die alles entscheidende
Frage: „Mama, für was lerne ich eigentlich
jeden Tag so viel?“ – „Was ist denn passiert?“, fragt
Mama, „habt ihr den Test zurückbekommen?“ – „Ja,
und ich habe eine 4 bekommen, du weißt ja, mir war
an dem Tag nicht so gut, jetzt hab ich alles verhauen.“
– „Aber wieso denn, du hast einen 1er und einen 2er,
dann hast du eben nun sicher eine 2 im Zeugnis, davon
geht die Welt nicht unter. Den ausgezeichneten Gesamterfolg
gefährdet das nicht“, spricht Mama und
kocht weiter. „Nein, Mama, die Lehrerin meint, wenn
ich eine 2 will, muss ich eine Prüfung über den ganzen
Jahresstoff machen!“ – „Was, wieso?“, fragt Mama. ...
...
Baustelle Schule
Jeder von uns hat den Großteil seiner Kindheit in
der Schule verbracht. Diese Jahre sind für uns alle prägende
Zeiten gewesen. Speziell die Lehrer wurden als
Respektsperson und unnahbare, mit viel Wissen ausgestattete
Menschen angesehen.
…
Daher ist es ein ganz wesentlicher Punkt, das ganze
Schulsystem in den Grundfesten zu hinterfragen und
auf komplett neue Beine zu stellen. Es müssen nicht
Stellen abgebaut werden, sondern – im Gegenteil –
weitere Pädagogen aufgenommen werden. Es müssen
an jeder Schule speziell ausgebildete Psychologen arbeiten,
um mit den verhaltensauffälligen Kindern zu arbeiten.
Es muss möglich sein, verhaltensauffällige Kinder
aus dem Unterricht zu nehmen und in einer Spezialklasse
zu „behandeln“, bis sie wieder in den normalen Unterricht
eingegliedert werden können. Die Lehrer
müssen abgestimmt auf die heutigen Bedürfnisse
besser ausgebildet werden.
...
Wenn man sich die meisten heutigen Schulen ansieht,
sind nicht nur die Unterrichtsmethode aus der
Steinzeit, sondern auch die Schulgebäude. Dass ein
Lehrer nicht einmal einen eigenen Arbeitsplatz hat, ist
in der heutigen Zeit doch sehr ungewöhnlich. Solange
man das nicht ändert, wird man Lehrer auch nur
schwer motivieren können, die gesamte Arbeitszeit in
der Schule zu verbringen. Anstatt Millionen von Euros
jährlich ins Ausland zu überweisen, sollte man lieber
im eigenen Land in die Zukunft und Bildung unserer
Kinder investieren.
...
Der aufmerksame Lehrer
Vor nicht allzu langer Zeit brachte ich meiner Tochter
ein Heft in die Schule nach, da sie es im Auto liegen gelassen
hatte. Die 3. Unterrichtsstunde war in vollem
Gange und ich klopfte an die Tür, öffnete diese und
sah, dass reges Unterhalten unter den Schülern angesagt
war. Der Lehrer saß vorne am Tisch mit starrem
Blick auf seinen PC, ich begrüßte ihn – aber er bemerkte
mich nicht! Ich ging zu meiner Tochter, brachte ihr
das Heft und verließ mit den Worten „Auf Wiedersehen“
die Klasse.
Als ich nachmittags beim Abholen meine Tochter
fragte, ob der Lehrer mich nicht bemerkt hatte, sagte
sie: „Nein, er war NUR Supplierung und meinte, wir
sollen leise sein, die Klasse nicht verlassen und uns beschäftigen,
er hat zu tun.“ Da fehlen einem die Worte.
So hab ich mich unter den Lehrern schlau gemacht
und nachgefragt, warum denn kein Unterricht stattfindet, …
...
Der Lehrer ist nicht schuld
Wenn eine Schularbeit im Durchschnitt schlecht ausfällt,
liegt die Vermutung nahe, dass die Vermittlung
des Stoffes nicht gut gelungen ist. Aber das sehen die
Lehrer natürlich nicht so, …
…
Die Zeit heilt alle Wunden und so kommt es vor, dass
dieser Lehrer im nächsten Schuljahr zufällig in einer anderen
Schule unterrichtet. Die Erklärung gegenüber
den fragenden Eltern, wo denn der Lehrer hingekommen
sei, ist leicht. An der anderen Schule fehlte gerade
so eine exzellente Fachkraft und daher haben sie diesen
Lehrer schweren Herzens gehen lassen.
Das System funktioniert wie in der Politik: Hat man
seinen Job schlecht gemacht, wird man weiterbefördert
und ist aus der Schusslinie. Bei solchen Praktiken
wundern sich die Eltern nicht mehr, dass man die Lehrer
mit „Rückgrat“ wie die Nadel im Heuhaufen suchen
muss. In der Privatwirtschaft wird bei schlechter Arbeit
auch eine Versetzung durchgeführt, doch die führt den
Mitarbeiter direkt zum Arbeitsamt. …
...
Lehrer – viel Geld für wenig Arbeit?
Lehrer kämpfen immer schon mit dem Vorurteil, für
Ihre Arbeit zu viel Geld zu bekommen oder, anders gesagt,
für Ihr Gehalt zu wenig zu leisten. Das können
Lehrer nur sehr schwer entkräften. Sie verdienen nicht
so viel wie angenommen, doch die häufigen freien
Tage aufgrund der Ferien und das scheinbar hohe alltägliche
Freizeitpensum verleiten zu solchen Annahmen.
Ein Lehrer befindet sich ca. 20 Unterrichtsstunden á
50 Minuten (ca. 17 Stunden) pro Woche in den Klassenzimmern.
…
Wenn man sich dann so
ansieht, was manche Lehrer in Ihrer flexiblen Arbeitszeit
machen, kommt die mögliche „Burnout-Gefahr“
vielleicht von der Vielzahl an Dingen, die sie sich aufhalsen.
Einige bessern ihr Gehalt mit privaten, gut honorierten
Nachhilfestunden auf. Zielgruppe sind Schüler, die
es im Unterricht nicht schafften, den Stoff zu verstehen
– oder soll man sagen, dass es der Lehrer nicht schaffte,
den Stoff den Schülern beizubringen?!
...
Lehrer – Traumjob oder Albtraum?
Wenn Sie einen Lehrer fragen, ob sein Beruf zu
empfehlen ist, hören Sie oft: „Nein, viel zu stressig,
völlig unterbezahlt und erst die ungehorsamen Kinder.“
Man hört ja oft die Empfehlung: „Wenn das Berufsleben
zu anstrengend wird, gehe zurück in die Schule
und werde Lehrer, die nehmen im Moment sowieso alles.
Die Steigerung ist nur mehr, als Politiker ins Parlament
zu gehen.“
Woher kommt das? Leider aus der gelebten Praxis,
wie man sie heute an den Schulen findet.
Früher war ein Lehrer eine angesehene Respektsperson,
zu der alle aufgeschaut haben. Heute sind wir weit
weg davon. Wer 1 + 1 zusammenzählen kann und sich
erfolgreich durch das Studium mogelt, ist Lehrer.
…
Wenn so ein Junglehrer mit rund 22 Jahren beginnt zu
unterrichten, und das bis zur Pensionierung macht, muss
er sich das Vorurteil, nie das richtige Leben kennengelernt
zu haben, gefallen lassen.
Praktiker, die als Gastlehrer in berufsorientierten
Schulen unterrichten, haben nicht nur das notwendige
Fachwissen, sondern erfahren ebenso die tägliche gelebte
Praxis, um den Schülern den Zusammenhang
glaubhaft vermitteln zu können. Warum werden Lehrer,
die ja über reichlich Freizeit verfügen, 14 Wochen
Ferien pro Jahr, nicht dazu verpflichtet, in Privatbetrieben
jedes Jahr für einen Monat zu arbeiten?
…